EuGH stärkt Bestandskundenwerbung – jedoch nur in engem Rahmen
Viele Unternehmen stehen regelmäßig vor der Herausforderung, ihre Kunden effizient und rechtssicher per E-Mail über neue Angebote zu informieren. Der EuGH hat nun erstmals konkretisiert, wann hierfür keine ausdrückliche Einwilligung erforderlich ist und wie weit der Begriff des „Verkaufs“ nach § 7 Abs. 3 UWG tatsächlich reicht. Die Entscheidung schafft dringend benötigte Rechtssicherheit, wirft aber gleichzeitig neue Fragen auf – insbesondere, wie Unternehmen ihre Prozesse bei der Registrierung und der Bestandskundenwerbung künftig gestalten sollten.
Nach deutschem Recht gilt seit jeher ein klarer Grundsatz: Werbe-E-Mails dürfen grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Empfängers verschickt werden. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG und ist sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Praxis fest etabliert.
Eine wichtige Ausnahme bildet jedoch § 7 Abs. 3 UWG, der es Unternehmen erlaubt, ihren Bestandskunden auch ohne vorherige Einwilligung Werbung zu senden – allerdings nur, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehören:
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Erlangen der E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung,
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Verwendung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen,
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kein Widerspruch des Kunden,
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Hinweis auf das Widerspruchsrecht bei Erhebung der E-Mail-Adresse.
Bisher interpretierten deutsche Gerichte diese Ausnahmeregelung eher zurückhaltend und streng – insbesondere hinsichtlich der Frage, was genau als „Verkauf“ gilt.
Der Fall: Newsletter ohne Einwilligung nach Registrierung für ein kostenloses Konto
Ein rumänisches Online-Pressemedium bot seinen Nutzern die Möglichkeit ein kostenloses Benutzerkonto einzurichten, um einen erweiterten Zugang zu Presseartikeln zu erhalten. Nach Registrierung erhielten die Nutzer, neben dem Zugriff auf weitere Artikel, einen Newsletter mit Informationen zu neuen Gesetzen sowie Links zu weiteren Artikeln – teilweise hinter einer Bezahlschranke. Eine ausdrückliche Einwilligung war hierfür nicht erforderlich; der Newsletter konnte lediglich abgewählt oder später abgestellt werden.
Die rumänische Datenschutzbehörde verhängte ein Bußgeld und argumentierte, dass gerade kein “Verkauf” im Sinne des § 7 Abs. 3 UWG vorliegt und damit der Ausnahmetatbestand zu verneinen ist. Es fehle außerdem an einer Einwilligung, welche im Sinne der DSGVO erforderlich sei. Der Fall ging bis zum Europäischen Gerichtshof.
Die Entscheidung des EuGH: Kostenlos heißt nicht automatisch „kein Verkauf“
Der EuGH widerspricht der Behörde deutlich:
a) Erweiterte Auslegung des Begriffs „Verkauf“
Zwar setzt der Begriff „Verkauf“ grundsätzlich ein Entgelt voraus. Der Gerichtshof stellt jedoch klar: Ein „Verkauf“ kann bereits dann vorliegen, wenn die Einrichtung eines kostenlosen Benutzerkontos dem Erhalt einer unentgeltlichen Dienstleistung dient – hier dem erweiterten Zugriff auf Presseartikel. Diese kostenlose Leistung steht im Zusammenhang mit der Vermarktung kostenpflichtiger Angebote, sodass ihr wirtschaftlicher Wert in die Preisgestaltung einfließt. Der EuGH macht damit deutlich, dass auch eine unentgeltliche Dienstleistung Teil eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses sein kann.
Die Folge: Auch das Recht auf (begrenzten) kostenlosen Zugang zu Presseartikeln kann § 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfüllen.
b) Keine Parallelprüfung nach DSGVO erforderlich
Der Gerichtshof betont außerdem, dass im Falle der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 3 UWG keine gesonderte Einwilligung nach DSGVO erforderlich ist. Die DSGVO tritt also nicht zusätzlich daneben. Damit wird ein lange diskutiertes Spannungsfeld endlich aufgelöst.
Fazit:
Das Urteil ein kleiner, aber deutlicher Schritt in Richtung Praxistauglichkeit. Unternehmen erhalten einen erweiterten rechtlichen Spielraum, wenn es um Newsletter- und Bestandskundenwerbung geht. Die bisher sehr strenge Auslegung deutscher Gerichte zum Begriff „Verkauf“ wird aufgebrochen und auch kostenlose digitale Dienste (Accounts, Apps, Abonnements) können nun als Grundlage für E-Mail-Werbung dienen – sofern alle Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG vorliegen.
Aber Vorsicht: § 7 Abs. 3 UWG bleibt streng!
Trotz des erweiterten Anwendungsbereiches sollten Unternehmen weiterhin sehr sorgfältig prüfen:
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Wurde der Hinweis auf das Widerspruchsrecht bei Registrierung eindeutig erteilt?
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Handelt es sich wirklich um ähnliche Produkte oder Dienstleistungen?
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Erfolgt eine einfache und jederzeit mögliche Abmeldung?
Schon kleine Fehler können dazu führen, dass die Werbung als unzumutbare Belästigung eingestuft wird – mit Abmahnungen und Bußgeldern als mögliche Folge.
Foto von Brett Jordan auf Unsplash
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