AG Schwetzingen: Anwaltskosten für DGSVO-Auskunft auch ohne Verzug zu erstatten
Im Zuge eines Verfahrens wegen der unerlaubten Zusendung von Werbemails hat das Amtsgericht Schwetzingen der Klägerin den Ersatz von Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung des datenschutzrechtlichen Auskunftsersuchens nach Artikel 15 DSGVO zugesprochen (Urteil vom 19.08.2019, Az 4C 44/19). Ein derartiger Kostenersatz wird im Allgemeinen nur bei Verzug oder aufgrund einer Rechtsverletzung gewährt.
Der Entscheidung des Amtsgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin hatte eine Bestellung im Onlineshop der Beklagten getätigt. Anschließend erhielt sie einige Werbemails von der Beklagten, ohne dafür ihr Einverständnis erteilt zu haben. Daraufhin mahnte die Klägerin die Beklagte anwaltlich vertreten ab und forderte sie bezüglich der unerlaubten Werbung zur Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung auf. Gleichzeitig begehrte der Vertreter erstmalig von der Beklagten datenschutzrechtliche Auskunft im Sinne des Artikel 15 DSGVO. Die Auskunft wurde von der Beklagten innerhalb der Frist gemäß Art. 12 Abs. 3 DSGVO vollständig erteilt.
Im anschließenden Klageverfahren unterwarf sich die Beklagte hinsichtlich der Unterlassungs- und Erstattungsansprüche wegen der E-Mail-Werbung. Streitgegenständlich war somit nur noch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten hinsichtlich der DSGVO-Auskunft.
Rechtlicher Hintergrund:
Grundsätzlich werden vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nur im Verzugsfall oder bei einer vorangegangenen Rechtsverletzung gewährt. Beides lag im vorliegenden Fall (bezogen auf die Auskunft) jedoch nicht vor, da die Beklagte fristgerecht und umfassend Auskunft erteilte. Bereits für die erstmalige Geltendmachung des Auskunftsanspruchs hatte die Klägerin anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen.
Nach herrschender Auffassung besteht in der Regel kein Grund, einen Rechtsanwalt mit einem Auskunftsbegehren zu beauftragen, da dieses einfach formlos an den Auskunftspflichtigen übermittelt werden kann, ohne juristisches Fachwissen zu benötigen. Eine anwaltliche Vertretung ist insbesondere dann entbehrlich, wenn man als Betroffener über das Bestehen des Auskunftsrechts korrekt im Vorhinein gemäß Artikel 13 Absatz 2 lit. b bzw. Artikel 14 Absatz 2 lit. c DSGVO informiert wurde (siehe etwa Gola, Franck, DS-GVO, 2. Auflage 2018, Artikel 15 Rn. 60). Im konkreten Fall hatte die Beklagte in den Datenschutzhinweisen auf ihrer Website umfassend über den Auskunftsanspruch informiert.
Begründung des Gerichts:
Nach Ansicht des Gerichts war jedoch hier die unaufgeforderte Werbezusendung ursächlich für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe. Aufgrund dessen sei es als “einheitlicher Lebensvorgang” – wenn auch mit “unterschiedlicher Zielrichtung” – zu bewerten, dass der von der Klägerin beauftragte Anwalt den Auskunftsanspruch gemeinsam mit dem Unterlassungsanspruch bezüglich der Werbemails geltend machte. Die unerwünschten Werbemails hätten es erforderlich gemacht, dass die Klägerin anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Dass der Anwalt neben den Unterlassungsansprüchen auch Auskunft einforderte, sei “nicht zu beanstanden”. Das AG Schwetzingen bejahte daher den Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auch im Hinblick auf den Auskunftsanspruch.
Anmerkung:
Die Entscheidung des Gerichts erscheint zumindest diskussionswürdig. Einerseits scheint der Gedanke im Ergebnis nachvollziehbar, dass ein Unternehmen die anwaltlichen Kosten der Auskunft gewissermaßen verursacht hat, indem es durch unerwünschte Werbung den “Anlass” für das rechtliche Vorgehen gegeben hat. Andererseits ist der “Unrechtsgehalt” der unerwünschten Werbemails grundsätzlich durch Unterlassungserklärung und Kostenerstattung “abgegolten”. Die DSGVO-Auskunft hängt hiermit nur mittelbar zusammen. Zumal im vorliegenden Fall die Klägerin selbst Kundin der Beklagten war und somit beispielsweise nicht der Verdacht bestand, die Beklagte hätte die E-Mail-Adresse etwa aus illegalen Quellen oder von Adresshändlern bezogen.
Die Auffassung, Unterlassung von Werbemails und DSGVO-Auskunft seien als “einheitlicher Lebensvorgang” anzusehen, erscheint auch insofern fraglich, da die Klägerin bzw. deren Vertreter selbst beides offenbar als unterschiedliche Streitgegenstände betrachtete. So hatte der Klägervertreter in seiner Abmahnung zur Berechnung der Kosten nicht etwa einen gemeinsamen Gesamtstreitwert gebildet, sondern die Abmahnkosten für Unterlassung der Werbemails (aus einem Gegenstandswert von EUR 3.000,00) und für die Auskunft (aus einem Gegenstandswert von EUR 2.000,00) jeweils gesondert berechnet.
Sollte sich die Auffassung des AG Schwetzingen durchsetzen, würde dies Anwälten in die Karten spielen, die sich auf die Abmahnung unerwünschter Werbemails spezialisiert haben. Diese können durch “copy & paste” Hinzufügen eines einfachen Auskunftsersuchen in ihre Abmahnungen zusätzliche Abmahnkosten in Höhe von hier immerhin EUR 205,00 netto auslösen, welche das abgemahnte Unternehmen zu tragen hätte, selbst wenn es die Auskunft fristgerecht und vollständig erteilt.
Es bleibt die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten.